Freitag, 12. April 2013

Ich habe das Gefühl, ich komme allein in den Momenten des vollkommenen Selbstmitleids, Bedauerns und Zweifelns auf dieses Tagebuch zurück.
Drei Monate konnte ich nicht klagen, habe den harten Winter überlebt und es geschafft nicht festzufrieren in diesen kalten, diesen einsamen Zeiten. Das Wasser fließt, wie der Strom - dank meiner Anstellung in einer kleinen Kaschemme am Rande des Dorfs, in einer Gegend, die sogar von den Ureinwohnern dieses Sumpfs gemieden wird. Zwielichtige Personen treiben dort ihr Glücksspiel. Schwarzhandel ist Gang und Gebe und man sollte seinen Bierkrug stets im Auge behalten, wohl besser erst gar nicht abstellen. 
Da mein Fell im Vergleich zum vergangenen Jahr um einiges dicker geworden ist, finde ich an dem Schmutz, dem stinkenden Abschaum, der sich  auf groteske Art und Weise Abend für Abend dort zusammenfindet, wesentlich mehr Gefallen, als  an dem Dorfensemble, dass sich mehr und mehr in die eigenen Haushalte verkriecht. Vorbei sind die Zeiten des gemeinsamen Festes, der lustigen Gelage, des Spiels. Jeder ist sich selbst und seinen Bedürfnissen am nächsten.
Braňos Fuß ist wieder heil. Nach seinem letzten Brief schien mir, alsob auch er einen schwierigen Winter zu überstehen hat. Weil es in letzter Zeit immer häufiger in den Bergen zu Lawinen kam, wurde Reisenden wärmstens empfohlen, ihre Wege durch die Bergwälder aufs Frühjahr zu verschieben. Ich kann mit Braňos Ankunft somit erst frühestens im Mai oder Juni rechnen.
Über Langeweile kann ich mich allerdings nicht beschweren. Mich lässt nur eine quälende Szene nicht los: Gestern fielen mir zwei vermummte Personen auf, die sich angeregt in der hintersten Ecke der Schenke leise unterhielten. Als ich ihnen die gewünschten Getränke brachte, erhaschte ich einen kurzen Blick auf die Hand des einen. Was ich darauf sah, ließ mir das Blut in meinen Adern gefrieren und ließ mich an jene Märznacht vergangenen Jahres zurückdenken, in der ich in das Arbeitszimmers des Zigeunerbarons Emil einbrach, in seinen Unterlagen nach Beweisen für sein düsteres Treiben schnüffelte und auf ein unheimliches Symbol stieß, dass ich nun in tätowierter Form auf dem Handrücken des Gastes erblickte.

[Anm.: Hierbei kann es sich wiedereinmal nur um folgendes Symbol aus dem Tagebucheintrag des 10.März, 2012 handeln.]


Ich bin von Angst zerfressen. Mir graut vor der Zukunft, die sich wie ein vergangenes in Blut, Verdammnis und Schwarzer Magie getränktes Panorama vor mir ausbreitet. Kurz nachdem mein Blick bemerkt wurde, verbarg der mysteriöse Gast auch gleich seine Hand und verschwand, nach vielleicht einem Schluck aus seinem Krug spurlos mit seinem Begleiter. Soll ich dieses Zeichen an mir vorbeiziehen lassen, oder es als Aufforderung nehmen, meine ins Leere geführten Nachforschungen, an denen ich vor einem Jahr mit unerklärlichen Himmelsklängen und ominösen Zeichnungen und Tabellen scheiterte, wieder aufzunehmen?
Und warum werde ich das Gefühl nicht los, dass das Ganze womöglich eine Aufforderung an mich war?



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