Montag, 27. Februar 2012

Heute Nacht beginne ich mit meiner neuen Arbeit. Ich möchte mich nicht klarer ausdrücken, nur für den Fall, das dieses Buch irgendwann in die falschen Hände gerät...
Emil, mein Vorgesetzter versteht keine Spaß. Sollte ich meine Arbeit nicht zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllen, kann es mich das Haus und vielleicht sogar mein Leben kosten. Aber ich habe soviel zu gewinnen. Mit dem Verdienst könnte ich endlich meine ganzen Schulden begleichen - ein Traum, wenn er nur wahr werden würde....

Samstag, 25. Februar 2012

Bei einem Streifzug durch den Wald ist mir heute etwas seltsames passiert.
Ich ging meine übliche Runde über die Heide der Halgašs, weiter auf die Anhöhe, bis hin zur alten Baumschule, wo im Sommer die Heidelbeeren vor sich hin wuchern.
Dann machte ich einen Schlenker durch die kleine Waldzuflucht richtung Pridajná [slowakisches Dorf] und ging durchs Bistré [slowak.: kleines Tal mit schnellem Bach] zurück.
Auf halber Strecke stieß ich auf einen Fuchs, der meinen Weg kreuzte.
Normalerweise sind Füchse sehr scheue Tiere und flüchten sofort beim Anblick eines Menschen, doch dieser musterte mich umso eindringlicher, je näher ich kam.
Schließlich trennten uns wohl nur noch fünf Schritte. Dann zuckte er komisch mit dem Kopf, es glich fast einem Nicken, fauchte mich an und sprang ins Dickicht.
Ich bin bei meinen Spaziergängen schon vielen Tieren begegnet, aber das war mit Abstand das merkwürdigste Erlebnis...
Ich gebe dem ganzen keine große Bedeutung, aber unheimlich war es dennoch...so eindringliche Augen....und dieses Nicken....
Vielleicht beginne ich auch schon zu halluzinieren....

Freitag, 24. Februar 2012

Heute stand Zuzka vor der Tür.
Ich wollte meinen eigenen Augen nicht trauen, als ich sah wie sie sich von einen Tag auf den anderen verändert hatte. Was vor der besagten Nacht noch ein kleines scheues Mädchen war, hat sich mit einem mal in eine temperamentvolle Venus verwandelt. Da habe ich was angerichtet....
Ich hatte die Tür lediglich einige Sekunden offen, da warf sie sich schon um meinen Hals. Das halbe Haus haben wir beinahe demoliert.
Einzelheiten werden hier jetzt ausgespart....
Ein Miezekätzchen, soviel kann ich sagen, ist sie nun nicht mehr.
Ich denke schon sehr bald werden sehr gute Zeiten kommen. Etwas großes wird passieren, da bin ich mir sicher.

Der Karneval war ein voller Erfolg. Wenn man es so will habe ich der kleinen Zuzka von nebenan das Fürchten gelehrt.
War sogar gestern an Aschermittwoch wieder einmal nach langer Zeit in der Kirche um mir mein Aschekreuz vom Pfarrer auf die Stirn zeichnen zu lassen.
Was das wohl soll?


Ich muss mich auf meine neue Arbeit konzentrieren. Das wird mehr verlangen als alles andere....
Und mein Bruderherz kommt ja auch nächste Woche.....

Montag, 20. Februar 2012

Habe mir ein großartiges Kostüm aus Fellen zusammengeschneidert. Begebe mich später mit Lukáš zur Jagd - eine weitere Tradition des Dorfes in der Karnevalszeit: Zur späten dunklen Stunde werden die Jungfrauen des Dorfes quer durch den Wald gejagt. 
Je mehr Jungfrauen am Ende der Nacht ihre Jungfräulichkeit verlieren umso reicher wird die kommende Ernte sein. Irgendwie heidnisch....Abschied vom Fleisch, Jungfrauen zu ihrem Glück führen und schließlich das Fasten.
Doch zuvor gibt es die Dorffestlichkeit! Ach, freue ich mich wieder auf den Tanz! Das Tanzbein, das habe ich von Vater, mit Sicherheit...

Sonntag, 19. Februar 2012

Nur so viel: Ich habe einen Job, der mir viel Geld einbringen, mich aber auch meinen Kragen kosten kann...


Heute kam ein Brief von Braňo.
Er kommt nächste Woche.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Der Karneval hat begonnen. Die Leute können nicht früh genug damit anfangen. Eigentlich gehört Karneval zu meinen Lieblingsfeiertagen. Der Abschied von Fleisch, Feiern und Gelagen gestaltet sich hier jedes Jahr auf seine traditionelle Art und Weise.
Kinder laufen verkleidet von Haus zu Haus und singen Lieder. Die Jugend rauft sich zusammen und hat die offizielle Erlaubnis ihre Streiche an der Öffentlichkeit auszuüben und ihren Liebsten hinterherzurennen. Und die älteren Herrschaften verabschieden sich vom Winter und geben so manchen Frivolitäten ein letztes mal vor der Fastenzeit freien Lauf.
Lukáš will mich heute Abend mit ein paar Leuten bekanntmachen, die mir wohl Arbeit verschaffen können. Ich bin gespannt. Normalerweise traue ich Lukáš in solchen Dingen. Wenn er aber von vornherein so positiv der Sache gegenüber eingestellt ist, so ist das ein erstes Zeichen für mich wachsam zu sein und sich nicht übers Ohr hauen zu lassen. So sehr ich Lukáš auch mag, nicht alle sind vom gleichen Schlag wie er....


Habe einen interessanten Satz in Vaters Tagebucheinträgen gefunden. Er könnte von mir stammen:
"Dein Schicksal wird sich nie erfüllen, wenn du nicht von der Illusion der Kontrolle ablässt."

Montag, 13. Februar 2012

Lukáš sagte, er bemühe sich um einen Job für mich. Jetzt wo mein finanzielles Konstrukt in sich zusammenbricht, heißt es für mich: exakt überlegen und schnell handeln!
Mich überkommen wieder Sorgen.

Braňo, ich brauche dich.

Samstag, 11. Februar 2012

Die Sonne schwebt wie eine milchige Kugel in den Wolken. Habe mir von meinem gestrigen Verdienst beim Schneeschippen und - man staune- in der Dorfkneipe, nach langer Zeit wieder ausreichend Lebensmittel und Tabak gekauft. 
Die letzte Chance, die ich bekam, meinen Job in der Kneipe zu retten, verspielte ich, so leichtsinnig wie ich war. Erregung öffentlichen Ärgernisses - das kommt bei mir ohne Vorwarnung, wenn mir Ivo vor die Füße spuckt. Ich konnte nicht anders, als ihm ins Bier zu pissen. Die Abendgestaltung war somit vorgeplant. 
Später schnappte ich mir mein Geld, eine Flasche Calvados, reichte Ivo sein wohlverdientes Taschentuch und machte mich deutlich aufgewärmter als vorher, nach hause. Endlich ein Erfolgsgefühl! Aber was jetzt? 
Vielleicht können mir Lukáš und seine Leute helfen, irgendeine Arbeit zu finden. Das klingt zwar nach einer der irrsinnigsten Ideen, die ich in der letzten Zeit hatte, scheint mir bisher aber der einzige Ausweg zu sein. 
Ich hoffe, das Braňo dieses Buch niemals zu Gesicht bekommt, und falls du es doch in diesem Moment lesen solltest, geliebter Bruder, so kannst du dich darauf gefasst machen, dass ich die Schande, die du mit deinem verschmitzten Lachen über meine nackte Würde bringst, auf eine höchst kreative Art und Weise zu erwidern weiß.


Zeit zum kochen.

Freitag, 10. Februar 2012

Habe den Vormittag damit zugebracht alle Pflanzen im Haus einzusammeln. Von Yucca Palmen bis Kakteen ist vielerlei dabei. Habe sie nun in Braňos Zimmer untergebracht. 
Ich wollte mir schon immer ein exotisches Gärtchen anlegen und Braňos Zimmer hat die meiste Sonne, während mein Zimmer im hintersten Teil des Hauses liegt und lediglich die Abendsonne abkriegt. 
Aber was mein botanisches Experiment anbelangt: Schließlich möchte sich unsereins doch auch zuhause wie im Urlaub fühlen. Vielleicht sollte ich die Hühner aus dem Stall hinein holen.
Werde später in der Nachbarschaft Schnee schippen. Ist Freitag. Bekomme zwar nicht die Welt dafür, momentan reicht es aber zusammen mit dem, was ich in der Dorfkneipe im Ausschank verdiene, ganz gut. Wenn ich allerdings die jüngsten Ereignisse berücksichtige, überkommt mich der starke Wunsch, mir neue Arbeit zu suchen und meinem Ruf ein neues Kleid zu sticken.
Beim letzten Kartenspiel musste ich meinem Glück, so Leid es mir tat, ein wenig auf die Sprünge helfen, und somit logischerweise auch der aufkeimenden Wut von Ivo. Natürlich hatte sich mein Bild vor Ivos Augen zu dem Zeitpunkt schon verdoppelt, sodass ich ihn im wahrsten Sinne des Wortes quer über den Tisch ziehen und aus dem Fenster werfen konnte.
Soviel zu meiner aktuellen Beliebtheit in der Dorfkneipe. Obwohl ich wieder einmal gerne auf eine klassische Freitagabend-Rauferei Lust hätte...

Donnerstag, 9. Februar 2012

Später

Habe aufgegeben mich daran zu erinnern, was ich versucht hatte letzte Nacht niederzuschreiben. Langsam verfluche ich meinen Alltag, meine Vergangenheit und erst recht meine Zukunft. In welcher Dystopie lebe ich? 
Ich liebe dieses Dorf, meine Heimat und zugleich hasse ich sie abgrundtief. Mein Geist rebelliert wenn er stagniert. Mein Herz liegt in diesen modrigen Wänden, in jeder Zelle dieses Hauses. Mutter und Vater sind noch immer hier. Welcher Mensch wäre ich, wenn ich all das dem Erdboden gleichmachen würde? 
Braňo würde keine Sekunde zögern, das Haus in Schutt und Asche zu zerlegen. Dafür ist er viel zu weltlich. Glücklicherweise wurde ihm dieses Vergnügen nicht zu teil. Mit ihm ist es, wie mit diesem Dorf. Liebe und Hass, gepaart auf so eine makellose, hinreißende Art und Weise, das man nicht weiter kann außer zuschauen und in Melancholie verfallen.
Was würde mir fehlen, ohne mein Leben? Zwei Studienabbrüche? Alles? Oder nur ein paar Scheuklappen? 


Das Feuer ist aus. Ich gehe Holz hacken.

Aufgewacht mit dem Gefühl vollkommen eingeschneit zu sein. Draußen ist es dunkel. Ist es Morgen oder Abend?
Ist wohl Abend: der Hund der Halgašs kläfft.
Scheint, als hätte mich gestern mitten beim schreiben der Schlaf überrascht. Habe nicht mehr die geringste Ahnung davon, was ich zu Papier bringen wollte. Verdammt. 
Beim Blick aus dem Fenster überkommt mich Erleichterung. Eingeschneit bin ich nicht. Noch nicht. Aber ich habe mich noch nie so einsam gefühlt. Was Braňo wohl macht....

Mittwoch, 8. Februar 2012

Noch später

Schreibe dies unter erheblichem Einfluss von ekstatischen, beinah narkotisch wirkenden Sus Substanzen. Lukáš hat mit der Kresse recht behalten, mit der Schwester leider nicht, dafür aber ich, was die Symbole in der ketzerischen Tabelle angeht. Sicher hatte ich sie gesehen, nur wo war mir entgangen. Das klingt jetzt furchtbar absurd und unmöglich, wahrscheinlich kann würde man mich für diesen Vorwurf sogar strafrechtlich verfolgen, aber                                                                          

Später

Beim durchblättern des Tagebuchs ist diese Illustration hier herausgefallen. 

Ich erkenne keine logischen Zusammenhänge, die darauf schließen können, dass sich Vater tatsächlich für Okkultismus interessiert haben könnte. 
In den Einträgen, die ich entziffern konnte, weist auch nicht das geringste auf diese Illustration hin. Ein wenig verstörend ist die ganze Sache dennoch. Ich könnte schwören, dass ich die kleinen Zeichen in der Mitte bereits irgendwo gesehen habe.
War vorhin Lukáš besuchen und wollte ihm seine Kresse um die Ohren hauen. Den Speck hatte er allerdings bereits in eigenen umgewandelt, sodass ich mir mein wohl geplantes Vorhaben schenken konnte. 
Zum selbigen Zeitpunkt rührte sich mein Magen, was mich dazu veranlasste ihn mit Brot vom Vortag und der besagten Kresse zunächst einmal ruhig zu stellen. Vorhin habe ich dann doch in Mutters Pflanzenkunde hineingeschaut und festgestellt, dass Kresse besonders aphrodisierend auf den Leib einwirkt.
Ich scheine zu verstehen, warum mir Lukáš weismachen wollte dieses Gewächs unbedingt vor heute abend zu probieren, bevor ich seine Schwester kennenlerne. 
Und ich wollte schon anfangen es zu rauchen.

Morgen

In dieser Nacht hat es geschneit. Das Haus atmet und pfeift und ich pfeife mit - die kleine Nachtmusik. Als Kinder haben Braňo und Ich schon auf das Frühstück verzichtet als es schneite. Unter lautem Gepolter sind wir die Treppe heruntergelaufen, haben krachend die Tür ins Schloss fallen lassen und waren ab diesem Moment unserer ungebändigten Gewalt ausgeliefert.
Schneekrieg auf zwei Lager verteilt. Endete meistens mit Braňos Tränen, wenn ich mich aus meinem- damals architektonisch sehr gut durchdachten - Eisbunker heraustahl und seinem Gesicht eine kräftige Schneewäsche verpasste. Der Groll von Mutter war unvorstellbar. Amüsant fand ich es trotzdem - mein kleiner Bruder.
Der Kühlschrank ist fast leer. Brunnenkresse und eine Milchpackung schauen mich verdutzt an. Warum habe ich eigentlich- achja, Lukáš, natürlich, habe ich ganz vergessen. Hat Brunnenkresse eigentlich irgendeine balsamische Nebenwirkung? Ich versuche später mal einen Extrakt zu destillieren. Achja, die Kritzeleien von Vater. Beim Frühstück. Brot und Spiele. Speck wäre auch genehm. Fall nicht genehm, schlage ich die Brunnenkresse Lukáš um die Ohren und nehme den Speck wieder an mich. Jakub Krajcír wird nicht von Schwachen auf den Arm genommen. Das kann er sich nicht erlauben.

Dienstag, 7. Februar 2012

Habe das hier in einer Schublade des Sekretärs gefunden. Hätte nicht gedacht, dass Vater so was jemals geführt hat. Ist sogar vielleicht das Geheimnis seiner guten Laune. 
Pest und Cholera gebannt zwischen zwei Pappdeckel; warum nicht. Scheint funktioniert zu haben bis zum Tod. Habe mich immer gefragt, warum Menschen so etwas schreiben. 
Sinn und Unsinn liegen doch näher als ich dachte. Typisch Vater. Hätte ich mir denken können. Das verdammte Bleistiftgekritzel ist allerdings kaum erkennbar. Werde mich später mal dransetzen, das Ding zu entziffern. 
Wenn Braňo von der Existenz dieser Aufzeichnungen wüsste, hätte ich sie garnicht erst zu Angesicht bekommen. Da nagele ich lieber mit jedem meiner Worte von nun an jeden Tag ein Stück meines Wesens an dieses Manuskript, bevor er noch auf die Idee kommt zu insistieren.
Ach, so viel Holzwolle und so wenig Zeit.