Freitag, 23. März 2012

Glauben heißt sehen, so sagt man. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass derjenige, der diesen banalen Spruch in die Welt gesetzt hat, nicht den geringsten Schimmer davon hatte, was es tatsächlich heißt zu glauben. Das hat bei weitem nichts mit sehen zu tun.....man glaubt, was man spürt....man glaubt was man erlebt, am eigenen Körper.....man glaubt, was man hört, nicht sieht, in der Finsternis und der Klang, den ich in den letzten Tagen zu hören bekam ließ mir das Blut in den Adern gefrieren....Später mehr....
Die letzte Woche war sehr erfolgreich für Lukáš und mich. Man kann sagen, dass wir so langsam an unser Ziel gelangen unser warmes Nest im Sturm zu bauen. Gabor versucht uns zwar stets im Auge zu behalten. Er ist sehr vorsichtig - wie ich ihn eingeschätzt habe. Kein Schritt den er macht ist zufällig. Er ist immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und seine Ohren sind fast überall. Und zur Abendstunde, kurz vor Sonnenuntergang verschwindet er für einige Zeit, bis die Dunkelheit an den Baumspitzen hängt. Dann taucht er mit einer Lampe zwischen den Bäumen auf und wirkt noch aufmerksamer als vorher....Unsere Kommunikation beschränkt sich auf naive stumme Gesten. Wir sind ein eingespieltes Team. Lukáš ist ein Künstler, ein Possenreißer. Gabor muss immer über ihn lachen und ich ernte die Lorbeeren. Ich überzeuge mit meinem Redetalent. Zu meinem Glück hat mich Gabor noch nicht auf das Zymbalspielen angesprochen. 
Ich bin hart am üben. Lukášs und meine Nächte sind voll von Wein, Gesang und meinem furchtbaren Zymbalgezeter. Also wie immer nur durch meine Katzenmusik erweitert. Ein durchtriebenes Instrument. Es muss gezähmt werden. Oh, wie ich es liebe, wie ich sie misachte, diese schnurrigen Saiten, die mich, den Amateuren auslachen. Aber es bessert sich....
Ich weiß das Gabor inmitten der Wälder etwas versteckt. Gestern hatte ich mir bereits vorgenommen zu gegebenem Zeitpunkt seine Verfolgung aufzunehmen. Es gelang mir auch. Ich verfolgte Gabor den Waldhang hinauf, springend von Baum zu Baum, wie ein Hase. Gabor hatte verschwand auf der anderen Seite des Hügels. Ich erklomm gerade die letzten Meter hinauf, die Dunkelheit hatte sich bereits ausgebreitet, da hörte ich sie - die metallenen, hohen Klänge. Sie drückten mich zu Boden, trieben mich in den Wahnsinn. Sie klangen wie die Schreie einer seelenlosen Existenz: hohl, kalt, durchdringend, dröhnend, wie Himmelsposaunen. Dieser Klang weckte in mir eine tief vergrabene Furcht, die mich dazu zwang mich für kurze Zeit auf dem Boden zusammenzurollen. Nach ein paar Minuten, war der Klang verschwunden, ich klaubte mich vom Erdboden auf und ging zurück zum Lager. Eine halbe Stunde später kam Gabor aus den Wäldern. Er atmete laut und ruhig, strahlte über das ganze Gesicht und wollte den ganzen Abend niemanden mehr sehen...
Was waren das für Klänge? Hat Gabor damit etwas zu tun, oder war das ein bloßer Zufall? Auch Lukáš hatte sie gehört, klar und deutlich. Und auch er empfand große Furcht. Ich habe mich noch nie im Wald gefürchtet, zu keiner Tageszeit. Wer oder was auch immer diese Töne von sich gegeben hat. Ich muss mich dem stellen, sonst verbringe ich keinen einzigen Tag mehr hier...

Sonntag, 18. März 2012

Habe von Emil einen sehr schwierigen Auftrag erhalten, der mich in den letzten Tagen viel Zeit und Kraft gekostet hat. Die Aufgabe verlangt viel Konzentration und Einfühlungsvermögen - also nicht gerade meine Stärken. Ich muss viel Recherchieren und mich unter seinesgleichen mischen - Zigeuner. Lukáš hilft mir dabei, auch wenn ich ihm mein Motiv vorenthalten muss, doch Lukáš kennt einfach viele Leute seines Blutes, auch jenseits dieses Dorfes. Deshalb war ich mit ihm in der nahegelegenen Stadt Brazno um meine Spionagetätigkeiten in dem dortigen abseits liegenden Zigeunerlager ausführen zu können. Die architektonische Struktur der Hütten ist um einiges beachtlicher als in unserem Viertel und auch die dort Lebenden verhalten sich im Vergleich zu unseren anders - auffallend extrovertierter. Das gefällt mir.
Emil hat mich aufgefordert sehr diskret und vertraulich mit dem Auftrag umzugehen, dahingehend ist oberste Vorsicht geboten. Sollte ich scheitern, werde ich wohl nicht nur das Fressen eines Zigeunerbarons sein. Aber soweit ist es glücklicherweise noch nicht gekommen. 
Ich muss an Informationen kommen, die, wie Emil vermutet, der dortige Zigeunerbaron Gabor besitzt. Einzelheiten erwähne ich natürlich sicherheitshalber nicht. Er ist zwar nicht so furchteinflößend wie Emil, dafür aber wachsamer und ein Schlitzohr. 
Lukáš und ich sind ein eingespieltes Team. Es bedurfte zunächst eines guten Benehmens, das wir denke ich schon so fromm, wie wir aufgetreten sind, bewiesen haben. Nun müssen wir unsere Loyalität bekunden und uns einnisten, wie zwei unerkannte Parasiten im Fell eines Hundes.
Ich habe Gabor meine Dienste angeboten und er sieht es vor mich in seinem kleinen Musikensemble als Zymbalspieler einzusetzen. Natürlich habe ich zugestimmt, obwohl ich nicht die leiseste Ahnung habe, wie ich dieses komplizierte Instrument in der Kürze der Zeit erlernen soll. Vielleicht kann mir Lukáš helfen....
Das sollte das kleinste Problem sein...Offenbar scheint die Musik der Schlüssel zu Gabors Vertrauen zu sein. Das ich noch Musikunterricht erhalte, das hätte ich mir selbst in meinen wenigen kühnen Träumen die ich habe, nicht  ausmalen können.....

Mittwoch, 14. März 2012

Ich sollte das Haus eindeutig öfter auf den Kopf stellen, oder vielleicht auch mich manchmal. In solchen Momenten stößt man in der Regel auf die interessanten Dinge des Lebens. Beim durchblättern unserer stattlichen Buchsammlung, fielen mir einige wundervolle Fotos meines Großvaters, seiner Familie und unseres Hauses aus dem Jahre 1915 zwischen die Finger. Ich gestehe, ich habe einige Gesichtszüge von ihm. Mit Mühe erkenne ich ihn nicht gerade in dem Gesicht des kleinen Jungen. [Anm.: Die Fotografien, auf die sich der Autor hier bezieht, lagen zwischen den Seiten dieses Eintrags und sind unten beigefügt.]
Im Vergleich zu heute hat sich das Haus kaum verändert. Lediglich die Brachfläche vor dem Haus, alsauch das Interieur des Hauses haben Mutter, Vater und jetzt auch Ich verändert.
Der Schimmel ist dennoch nicht aufzuhalten. Hätte uns Großvater das Haus nicht vermacht, hätten dann Mutter und Vater auf einem anderen Territorium ein Haus gebaut? Wären Braňo und ich in anderen Verhältnissen aufgewachsen, oder hätten unsere Wurzeln nicht losgelassen?
Welch' simple Erklärung für mein komisches Dilemma....

Heute Abend geht es wieder an die Arbeit. Ich bin gespannt welchen Auftrag Emil diesmal für mich hat. So langsam fließt wieder Geld in meine Kasse und ich kann anfangen die Schulden, die auf mir und dem Haus liegen, abzubezahlen. Ich frage mich stetig, warum Braňo nicht erschienen ist...Das entspricht ganz und gar nicht seiner Art eine Ankündigung nicht einzuhalten...




Montag, 12. März 2012


Den Tag damit zugebracht die Staubkörner der Bücher aufzuwirbeln und in vergilbten Seiten nach dem mysteriösen Symbol zu suchen. Nirgends war auch nur die leiseste Spur zu finden.
Obwohl mir doch der Zusammenhang zwischen Vaters Illustration und den Symbolen in Emils Schreibtischschublade nicht klar ist, rieche ich dennoch allmählich etwas...
Gibt es keinen Weg heraus, heißt es noch tiefer hinein. Und aus irgendeinem Grund überkommt mich nach einem halben Nachmittag Tee trinken und dem Anstarren des verschlungenen Musters an der Wand, plötzlich die große Lust auf eine tief verwurzelte gefährliche Wahrheit...

Samstag, 10. März 2012

Nach meiner Begegnung Freitagnacht mit seiner dunklen Durchlaucht Emil, ist es unbestreitbar welches Spiel wir hier zusammen spielen: Katz und Maus, Spinne und Fliege, Fuchs und Eichhorn.
Bleibt nur die Frage offen, wer nun welche Rolle einnimmt. Mein Plan, durch Emils dichten Dunstschleier hindurch zu blicken, stellte sich als waghalsiges und äußert schwieriges Unterfangen heraus. Mehr als einmal war ich an dem Abend nur einen Zentimeter vom Abgrund des Ertappens entfernt.
Dennoch trügte der Schein, wie ich vermutet hatte und schon bald stellte sich das Bild des mir wohlbekannten maroden, eigens zusammengeflickten kleinen Hauses als Illusion heraus und eröffnete mir hinter der Kulisse eine große Schlangengrube voller tückischer Fallen. Emils Handlanger machten es mir nicht gerade leicht, aber da ich noch relativ neu bin, kennen mich viele noch nicht.
Da sich am selbigen Abend in dem  Haus eine große Anzahl Menschen aufhielt, war es mir bald ein leichtes mich zwischendurch unbemerkbar in die versteckten hinteren Räume zu schleichen und meine neugierigen Augen zu füttern. Neben vielen Lagerräumen, in denen ich die Ergebnisse meiner Arbeit vorfand, entdeckte ich einen weiteren Raum, oder eher die Höhle des Löwen - Emils Arbeitszimmer.
Auf den ersten Blick konnte ich nichts ungewöhnliches finden. Also machte ich mich daran den Schreibtisch zu untersuchen. Ein Stück Draht verhalf mir das Schubfach des Schreibtisches zu knacken. 
Ich könnte schwören, dass mein Herz für eine Sekunde still stand, als ich sah, was in der Schublade lag. Es waren Skizzen einiger Symbole, die, wie ich mit Erschrecken feststellte, eben jene waren, die mir in der  wundersamen Illustration, die aus diesem Buch herausfiel, aufgefallen waren.
Dem nicht genug, fand ich ein weiteres mit Hand gekritzeltes Symbol, das eindeutig die Variation eines Pentagrams war. Es hatte weitaus mehr Striche, die den Stern des Pentagrams verzierten.

[Anm.: Meine Recherche ergab, das es sich zweifellos um das folgende Symbol handeln muss.]


Mittlerweile habe ich nicht mehr den geringsten Zweifel, dass da eine weitaus größere Sache im Hintergrund abläuft. Wie bekomme ich nur meinen Kopf aus dieser Schlinge heraus? Will ich das überhaupt? Ich bin von Angst zerfressen, dann wiederum umso neugieriger und versessener darauf zu erfahren, welchen Komplott da Emil plant und was für ein Teil des ganzen Ich bin....
Jedenfalls musste ich mich sehr schnell aus Emils Zimmer herausstehlen, da ich kurz darauf Schritte hörte.
Der Abend verlief normal weiter. Es wurde viel gelacht, getrunken und getanzt und auf eine seltsame Art und Weise hatte sich Emils Gesichtsausdruck mir gegenüber um eine Nuance verändert. Beinahe grinste er mich auf eine verschmitzte Art und Weise an. Ob er etwas ahnt?
Ich bleibe wachsam und werde in den Büchern von Mutter und Vater Nachforschungen zu dem Pentagram anstellen.



Donnerstag, 8. März 2012

Morgen ist es soweit. Ich bekomme die Chance hinter die Kulissen von Emils Schauermärchen zu blicken. Sicher, sein perfides Grinsen, der Gestank seiner dreckigen Zähne, sowie seine aufgeblasene Geheimnistuerei haben mich anfangs ein wenig das Fürchten gelehrt, doch ein Krajcír schreckt davor nicht zurück, selbst wenn es sich um das Oberhaupt unserer Dorfzigeuner handelt.
Er denkt er ist mir überlegen, mit seinem Hokus Pokus und dem ganzen unheimlichen Theater, was er da, offenbar nur für mich inszeniert, damit ich meine Vorurteile ihm und seinen Leuten gegenüber fein weiter pflege.
Es ist Zeit für die Enttarnung! Morgen Abend hat mich Emil zu  sich und seinen Leuten eigeladen. Ohne Einladung darf ich laut ihrem Kodex - oh in der Tat, sie haben einen - nicht zusammen mit ihrem Oberhaupt zu Tische sitzen.
Es ist wichtig, das ich morgen auf der Ebene der Augenhöhe bleibe, sodass sich unter gar keinen Umständen die Wellenlänge zwischen uns verschiebt.
Zauber war für mich immer faul, und dieser ist es mit Sicherheit auch.

Mittwoch, 7. März 2012

Um mich herum liegen Fotoalben - die paar, die sich Braňo nicht unter seinen sauberen Nagel gerissen hat.
Heute hätten Mutter und Vater ihre Silberne Hochzeit gefeiert....25 Jahre......
Damals war ich schon auf dem Weg in unsere Welt. Ich krame in alten Kassetten - Tonbandaufnahmen von Braňo und mir, als wir ein oder zwei Jahre alt waren.
Und wieder realisiere ich, wie sehr mir hier die vertrauten Stimmen meiner Familie fehlen. 
Das Haus spricht mit mir jeden Tag. Doch oft höre ich über die Stimme hinweg.
Als ich Mutter und Vater einst fragte, wie sie ihre Hochzeit feierten, antworteten sie zunächst sehr verhalten. Doch nach und nach kamen die Erinnerungen. 
Ein Hochzeitsfoto hatten sie nicht machen lassen. Dafür wusste an dem Tag jeder im Dorf, das sich Emilia Palfyová und Jarolim Krajcír ihr Ja-Wort gegeben hatten. 
Vater lachte über das Bild, als er Mutter nach der Kirche durch das Dorf zur Feier mit der kleinen Gruppe Festgästen führte und an den Fenstern jedes Hauses Menschen herausschauten und schrien: "Da kommen sie! Da kommen sie!"
Ergo bibamus, mater et pater!


[Anm.: Hier verschwimmt die Schrift durch einige Flecken, die zum Teil alkoholischen Ursprungs - ich nehme an Rotwein - sind. Der Rest der Seite ist sauber, jedoch wellt sich das Papier auch hier. Man könnte meinen, der Autor habe seinen Gefühlen freien Lauf gelassen.]

Dienstag, 6. März 2012

Aufgewacht mit dem Gefühl etwas furchtbares getan zu haben....
Ich träumte von einer gewaltigen Explosion, viel Blut, einem verheerenden Feuer, schreienden Menschen.
Doch das entscheidende Bild, was mir das Blut in den Adern gefrieren lies, war, das Emil inmitten der Flammen stand, wie der Satan höchstpersönlich. Ich war jedoch im Schatten verborgen und beobachtete das Spektakel.
Plötzlich wandte er seinen Kopf mit den langen schwarzen fettigen Haaren um und schaute mir direkt in die Augen. Sein Mund formte sich zu einem ekelhaften Grinsen und entblößte einen goldenen Eckzahn, während ihn die tosenden Flammen umarmten.
Sein Blick schnürte mir die Kehle zu. Danach schien ich aufgewacht zu sein.
Noch nie hatte ich solch einen Angstzustand im Schlaf erlitten.
Wenn ich Emil heute Abend gegenübertrete, werde ich sacht' versuchen hinter sein dreckiges Grinsen zu schauen.
Meine Arbeit soll schließlich motiviert sein.
Nichts bleibt unerledigt....Ich sollte aufpassen....

Sonntag, 4. März 2012

Wieder einmal erliege ich meiner Melancholie.
War heute in den Wäldern. In den höheren Lagen liegt noch Schnee.
Es ist eine Schande, das sich niemand aus der Gegend um die alten Wanderwege kümmert. Früher bin ich mit Vater und Braňo sehr oft gewandert. Es war irgendwie ein Ritual, in den ersten Märztagen das Erwachen der Natur zu feiern, indem wir unseren Dank für das erneute Knospen durch eine Wanderung zum Ausdruck bringen.
Es kommt mir so vor, alsob ich der einzige Narr bin, den das alles noch kümmert.
Wäre es Braňo wirklich wichtig gewesen, wäre er am Freitag gekommen. Die neue Welt macht die Menschen so oberflächlich. Das schürt meinen Missmut umso mehr.
Wann hat das alles ein Ende? Wohin führt das?

Freitag, 2. März 2012

Braňo ist nicht gekommen.
Ich weiß nicht ob ich mich freuen soll oder nicht.


Draußen fangen die Märzenbecher an zu blühen...

Donnerstag, 1. März 2012

Nachdem ich nun meine erste Arbeitsnacht mit großem Erfolg gemeistert hatte, sollte ich mich eigentlich glücklich schätzen.
Was hindert mich daran?
Nun offengestanden: die vortrefflich gute Laune meines Arbeitgebers Emil, der mir bisher noch immer nicht geheuer erscheint. Ich habe versucht hinter seine Absichten zu blicken und mir Einsicht in seine Aussicht zu verschaffen, doch ist es mir bisher nicht gelungen seine, mit Sicherheit schmutzigen, Motive ausfindig zu machen.
Aber solange sich all dies nicht gegen mich wendet, bin ich gut aufgehoben.
Die einzige Sorge, die ich habe, ist der Pakt den wir vereinbart haben und den ich ungewöhnlicherweise in einer mir sehr unheimlichen Atmosphäre, in Gesellschaft von vielen zwielichtigen, mir fremden Personen unterzeichnen musste....
Was führt er tatsächlich im Schilde?
War es doch ein Fehler diese Arbeit anzunehmen? Noch scheint alles harmlos zu sein....